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Thomas Hobbes und die Aufklärung

 Ein Gastbeitrag von Dr. Andreas Edmüller, Privatdozent für Philosophie an der LMU München

“Das Fehlen von Wissenschaft, das heißt Unkenntnis von Ursachen, macht dazu geneigt, sich auf den Rat und die Autorität anderer zu verlassen.” Thoma Hobbes

Thomas Hobbes Thomas Hobbes 1588 - 1679

Das Menschheitsprojekt Aufklärung ruht auf drei Säulen: Dem  Weltbild, den Methoden und dem Ethos der  Naturwissenschaften, dem säkularen Verständnis von Moral  und Gerechtigkeit und dem normativen Individualismus. Letzterer stellt die Person und ihre Rechte als wesentliche  normative Einheit den Ansprüchen von Gemeinschaften oder  Gruppen wie Volk, Rasse, Nation, Klasse oder  Glaubensgemeinschaft entgegen.

 

Kaum ein Philosoph hat so wertvolle Beiträge zur Aufklärung  geleistet wie Thomas Hobbes - und kaum ein Philosoph wird  dafür so wenig gewürdigt wie er. Über Hobbes sind alle  möglichen Zerrbilder in Umlauf: Ohne einen absolutistisch- autoritären Staat würden wir wie die Wölfe übereinander  herfallen, sein Verständnis von Wissenschaft sei naiv- mechanistisch, der von ihm angeblich propagierte Egoismus  führe zu einer brutal-rücksichtslosen Gesellschaft. Natürlich  kann ich hier diese ganzen Missverständnisse nicht  zurechtrücken - aber es sollte möglich sein, ein paar  Denkanstöße zu vermitteln.

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Thomas Hobbes und die wissenschaftliche Revolution

Hobbes war entschiedener Gegner der (christlichen) Scholastik  und deren aristotelisch geprägter Wissenschaft, überzeugter  Verfechter der modernen Naturwissenschaften, wie sie im 17.Jahrhundert zu reifen begannen. Oft wird ihm vorgeworfen, er  habe eine plumpe, von jeder Empirie losgelöste mechanistische Konzeption vertreten. Letzteres stimmt - aber nur auf den  ersten, sehr oberflächlichen Blick. 

 

Natürlich sind aus heutiger Sicht viele seiner Ausführungen und Erklärungsversuche als unzutreffend erkannt und auch Hobbes  dürfte gewusst haben, dass er oft reine Spekulation und keine  gesicherte theoretische Erkenntnis anbietet. Aber es ging ihm,  z.B. in seinem Hauptwerk Leviathan (1651), nicht in erster Linie um präzise einzelne Erklärungen oder Theorien. 

Sein Ziel war ein anderes: Er wollte das neue  Forschungsprogramm der wissenschaftlichen Revolution in  seinen metaphysischen Grundzügen darstellen. Er wollte  plausibel machen, dass alle Phänomene - eben auch mentale  Ereignisse wie Gedanken und Sinneswahrnehmungen - einer  lückenlosen „mechanischen“ Kausalerklärung zugänglich sind.  Diese Konzeption einer Welt ohne Kausalitätslücken war Mitte  des 17. Jahrhunderts alles andere als selbstverständlich oder  intuitiv akzeptabel. 

 

Kurz: Hobbes hatte den Mut, die Grundarchitektur und das  Forschungsprogramm der modernen Naturwissenschaften in  einem frühen Entwicklungsstadium mit allen offenen  Fragestellungen, Wissenslücken, Perspektiven und  theoretischen Möglichkeiten zu skizzieren. Zu seiner Zeit war  das eine genuine Pionierleistung und brandgefährlich. Er stellte sich damit frontal gegen die christliche Religion, gegen ihr  scholastisch und biblisch geprägtes Weltverständnis: Seine  Werke wurden zensiert.

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Thomas Hobbes und der Säkularismus

Für Hobbes ist Religion eines der dominanten individuellen,  moralischen und politischen Grundübel. Kein anderes  Phänomen steht einem glücklichen Leben so sehr im Wege,  verhindert so konsequent ein vernünftiges moralisches  Miteinander und blockiert so stark die Einrichtung eines  gerechten und stabilen Staatswesens. 

 

Dass die neuen Naturwissenschaften ohne einen Gott  auskommen können, zeigt er wie oben skizziert in seinem  Forschungsprogramm der wissenschaftlichen Revolution. Was  bis heute oft nicht verstanden wird ist, dass Hobbes das auch  für den Bereich von Moral und Gerechtigkeit gezeigt hat: Sogar  in einer Form, die bis heute zu den überzeugendsten  Begründungsansätzen von Moral und Gerechtigkeit gehört. 

 

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Seine Grundidee, ausgedrückt im Bild des  Gesellschaftsvertrages: Moral und Gerechtigkeit bzw. Staat sind Einrichtungen, die sich an den Interessen und Anliegen eines  jeden Bürgers zu orientieren haben. Es sind im besten und  anzustrebenden Fall rationale Konstrukte, die jeden von uns vor signifikantem Schaden durch seine Mitmenschen schützen  sollen. Dadurch werden Energie und Ressourcen frei, die wir nutzen können (und sollen), um unser Leben nach den eigenen  individuellen Vorstellungen zu gestalten. 

 

Und in Hinsicht darauf war Hobbes Optimist, er war fest davon  überzeugt, dass wir unser Vernunftpotential entfalten und uns  von der leider oft gegebenen Herrschaft von Leidenschaft und  (religiösem) Fanatismus lösen können. Moral und Gerechtigkeit  fallen nicht vom Himmel - sie sind Menschenwerk - und das  kann gelingen!

 

Im dritten und vierten Teil seines Hauptwerkes Leviathan  möchte Hobbes zeigen, dass die christliche Religion mit seinem Ansatz zu Moral und Gerechtigkeit kompatibel ist. Er wusste  also genau, wer sein Hauptfeind ist: Seine Werke wurden  zensiert.

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Thomas Hobbes und der normative Individualismus

Nach Hobbes sind die Normen von Moral und Gerechtigkeit  empirisch fundierte Klugheitsgebote der folgenden Form: Wenn Du vernünftig bist, also Schaden für Dich und die Menschen  vermeiden möchtest, die Dir lieb und teuer sind, dann solltest  Du unter den gegebenen Rahmenbedingungen (z.B. Knappheit  materieller Güter, Wissen um einen gewissen Anteil irrational  handelnder Mitmenschen etc.) die folgenden Regeln beachten:...

 

Also: Es geht um die Interessen einer jeden von diesen Regeln  betroffenen Person, nicht nur um die eines Herrschers, einer  Adelsschicht, einer Religionsgemeinschaft oder Priesterkaste,  einer Volksgemeinschaft, Rasse oder Nation. Moral und  Gerechtigkeit sollen jeder Person einen handfesten Nutzen  bieten: In Hobbes’ konkretem Fall geht es dabei in erster Linie  um Sicherheit von Leib und Leben.

 

Unabhängig von den genauen Inhalten markiert dies eine  weitere intellektuelle Großtat Hobbes’: In dieser Form sind die  Regeln von Moral und Gerechtigkeit in das sich abzeichnende  Weltbild der modernen Naturwissenschaften integrierbar! Es  handelt sich nicht um eingeborene Ideen einer gottgegebenen  Vernunft, um Vorgaben einer heiligen Schrift, um vermeintlich  objektive Einsichten in ein jenseits aller Naturgesetze  existierendes Reich platonischer Ideen, um göttliche  Offenbarungen, sondern um handfeste, im Prinzip empirisch  prüfbare Maximen der strategischen Vernunft!

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Mit dieser Herangehensweise hat Hobbes es nicht nur  geschafft, die Sphäre des Normativen in das wissenschaftliche  Weltbild zu integrieren, sondern auch enorm fruchtbare  Impulse für die Entwicklung einer leistungsstarken  Rationalitäts- und Entscheidungstheorie gegeben. Zum Abschluss noch ein Denkanstoß zu der recht verbreiteten  These, Hobbes habe einen konsequenten und  menschenverachtenden Absolutismus vertreten: Vor seinem Erfahrungshintergrund - Dreißigjähriger Krieg auf dem  Kontinent und Bürgerkrieg in England - war für ihn natürlich die These naheliegend, dass ein starker und einheitlich  entscheidender Souverän am besten geeignet sei, den oben  skizzierten Klugheitsgeboten im gewalttätigen Wirrwarr der  Religionen und irrationalen Leidenschaften Geltung zu  verschaffen. 

 

Denkt man näher über seine Argumente nach, wird man  allerdings schnell erkennen, dass unter anderen empirischen  Gegebenheiten auch andere Staatsformen gut funktionieren  können: Letztlich kommt es Hobbes darauf an, dass für keine  wichtige politische Frage ein stabilitätsgefährdendes  Entscheidungsvakuum entstehen darf. Konkret: Auch ein Staat,  der sich z.B. an der klassischen Gewaltenteilung in Exekutive,  Legislative und Judikative orientiert, kann unter gewissen  Rahmenbedingungen funktionieren. Hobbes würde allerdings  konsequent darauf bestehen, dass auch bei Gewaltenteilung für jede Situation genau und unmissverständlich festgelegt wird,  wer jeweils die Entscheidung trifft. Und das ist auch aus  heutiger Sicht schlicht und einfach vernünftig: Seine Werke  wurden zensiert.

 

Dr. Andreas Edmüller, Juli 2024

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