Wie lebe ich ein gutes Leben?
Zunächst einmal ist das Glück, nach dem wir uns sehnen, nicht das einmalige, zufällige Ereignis („ich habe Glück gehabt“), sondern eine möglichst lang anhaltende seelische Grundbefindlichkeit („ich bin glücklich“, „ich fühle mich glücklich“). Glück ist kein Besitz, sondern ein Lebensgefühl, der „schöne Fluss des Lebens“, wie es ein Philosoph im alten Rom formulierte, wir würden heute sagen: der Flow. Die antiken Weisheitslehren in Orient und Okzident waren sich einig, dass zu einem glücklichen Seelenzustand insbesondere Ausgeglichenheit, Seelenruhe, Gelassenheit, innere Unabhängigkeit, Menschenliebe und die Freiheit von Ängsten, Sorgen, Ärger, Neid und Gier gehören. Je mehr wir davon verwirklichen, umso besser geht es uns. Das hat viel, wenn nicht alles mit unserer Seelenverfassung zu tun. Platon verglich unser Seelenleben mit dem Wagenlenken (seinerzeit ein Wagen mit Pferden). Der Wagenlenker ist die Vernunft, die Pferde sind die irrationalen Seelenkräfte, Triebe, Emotionen, Begierden, Sehnsüchte. Die Zügel sind die Selbststeuerungskräfte. Je besser wir unsere Pferde kennen (Selbsterkenntnis), je liebevoller wir mit ihnen umgehen, je besser wir sie hegen und pflegen, führen und erziehen (Platon nannte das „Selbstsorge“), umso mehr gehorchen sie uns, umso leichter und sicherer werden wir den Wagen, d.h. unser Leben, dahin lenken können, wohin wir gelangen wollen (Verwirklichung der Lebensziele). Entscheidend dafür ist, dass es uns gelingt, die vielfältigen und häufig gegenläufigen Seelenkräfte in Harmonie zu bringen, d.h. innere Konflikte, Blockaden, Kämpfe und Zwänge zu befrieden. Allmählich gerät unsere Seele in einen Zustand innerlicher Ausgeglichenheit und heiterer Gelassenheit. Wir sind in unserer Mitte angelangt und fühlen uns wohl in unserer Haut. Wir sind glücklich.
Die Denker des Altertums meinten: Indem wir ein weises Leben führen. Dies bedeutet zunächst, dass wir uns selbst besser kennenlernen, d.h. unsere Seelenkräfte und deren Zusammenspiel, unsere Stärken und Schwächen, vor allem unsere Prägungen und inneren Muster, die unser Denken, Wollen und Verhalten bestimmen. Nur wer sich selbst kennt, sagte Sokrates, wisse, was für ihn gut sei. Wer sich jedoch nicht kenne oder sich etwas vormache, werde leiden und gerate unweigerlich ins Unglück. Wir lernen uns besser kennen, indem wir uns aufmerksam beobachten und achtsam unseren Gefühlen nachspüren. Wichtig dafür ist es, dass wir uns regelmäßig Zeit für uns nehmen, über uns und unser Leben nachdenken, die vergessene Kunst wiedererlernen, Pausen zu machen, „den Schritt anzuhalten“ (Seneca), einsame Spaziergänge oder Wanderungen einzubauen, oder Tagebuch zu schreiben, aufrichtig mit guten Freunden oder dem Lebenspartner zu sprechen. Wenn wir uns dabei auf die Schliche kommen und erkennen, wann und warum wir uns gut oder schlecht fühlen, dann kommen wir an die Ursachen heran und können wohltuende Veränderungen dort einleiten, wo der Schuh drückt. Wir können schlechte Gewohnheiten aufgeben und gute Gewohnheiten annehmen. Dazu freilich bedarf es vieler Übung und Beharrlichkeit, denn es ist schwer, seine Gewohnheiten zu ändern. Daran scheitern die meisten. Deshalb fühlen sie sich nicht so gut, wie sie sich fühlen könnten. Die Kräfte sind gewaltig, die uns immer wieder in die alten Muster zurückfallen lassen. Mit der notwendigen Entschlossenheit, Konsequenz und Selbstbeherrschung bei der Erziehung und Kultivierung unserer Persönlichkeit hingegen könnte jeder es bis in die erste Reihe der glücklichen Menschen schaffen. „Eine Alte stemmte jeden Morgen ein Kälbchen, am Ende einen ganzen Ochsen“, sagte ein antiker Philosoph. Wir alle haben die Fähigkeit in uns, Berge zu versetzen.
Was machen wir aber, wenn alles, was wir planen und unternehmen, schief läuft, wenn wir unseren Job oder Lebenspartner verlieren, wenn wir unsere Steuern nicht mehr zahlen können, wenn wir erkranken, wenn wir von einem schweres Schicksal heimgesucht werden oder einfach kein „Glück“ im Leben haben? Sind wir innerlich gefestigt und stabil, ruhen wir in uns und schöpfen unser Glück vor allem aus uns selbst, haben wir weise Haltungen eingenommen und kennen uns selbst und das Leben - dann haben wir auch die Kraft, mit jedem Schicksalsschlag, mit jeder Niederlage, mit jedem Verlust auf die beste Weise fertig zu werden. Wir bleiben gelassen oder finden schnell wieder in unsere Mitte, in die Geborgenheit im eigenen Inneren. „Ein Unglück ist es, Unglück nicht ertragen zu können“, sagte ein griechischer Philosoph. Die Alten nannten es die Fähigkeit des Tragen-Könnens, die „Unerschütterlichkeit des Weisen“ - „Resilienz“ würden wir heute sagen. Es ist nicht leicht, bei schweren Schicksalsschlägen die innere Ruhe und Zufriedenheit möglichst schnell wiederzuerlangen, aber wir können es lernen. Und vielleicht gelangen wir sogar eines Tages zur höchsten Stufe der Weisheit, zu der Kunst, „Unglück in Glück zu verwandeln“. Dann haben wir es geschafft, nichts kann uns mehr etwas anhaben.
Hier gilt das gleiche wie für den Umgang mit dem Schicksal. Es liegt an uns, wie wir mit den Menschen umgehen, die uns Schwierigkeiten und Probleme machen wollen. Es gehören zwei dazu, sich zu ärgern. Wir können lernen, die Fehler, Schwächen und Bosheiten anderer Menschen nicht an uns herankommen zu lassen. Wenn wir in uns eine starke „innere Burg“ haben, d.h. vor allem unsere Freude und Zufriedenheit aus uns selbst gewinnen und nicht von dem Lob anderer abhängig sind, dann bleiben wir ruhig und gelassen. „Ein starker Charakter lässt sich beleidigen“, sagt Seneca. Auch hier helfen die richtigen inneren Haltungen. Die Menschen sind schwache, mit Fehlern behaftete und häufig innerlich leidende oder zerrissene Wesen. All das kann sich jederzeit in Aggressivität oder Fehlverhalten entladen und uns treffen. Täglich geschieht das, ohne dass wir dem stets ausweichen können. Wir können jedoch dafür sorgen, dass unser Wohlbefinden dadurch nicht beeinträchtigt wird, dass wir uns nicht ärgern oder zornig werden und uns nicht aus der Grundstimmung heiterer Gelassenheit bringen lassen. Wir können uns von vornherein darauf einstellen, dass wir täglich solchen Menschen begegnen. Dann sind wir darauf gefasst und bleiben ruhig, wenn dergleichen geschieht. Gott sei Dank begegnen wir genauso vielen angenehmen Menschen, die uns Freude machen. An diese sollten wir uns halten und die anderen geduldig und gleichmütig ertragen. „Was stört es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt.“ Auch eine solche Einstellung will geübt sein. Wenn wir dran bleiben, können wir jeden Tag ein bisschen weiser, stärker und widerstandsfähiger werden. Die Weisen des Altertums sprachen davon, dass wir am Ende „unverletzlich“ werden.
Das hängt davon ab, was einen daran hindert, ein gutes Leben zu führen und uns glücklich zu fühlen: Ängste? Sorgen? Überforderung? Stress? Ärger? Die Anderen? Allgemein empfahlen die Weisen des Altertums folgenden Weg: Zunächst müssen wir das Problem erkennen: Was stört uns und hindert uns daran glücklich zu sein? Als zweites seine Ursachen. Haben wir die Ursachen für unser Problem erkannt, dann eröffnen sich auch die Wege, diese zu beseitigen. Haben wir den Weg erkannt, sollten wir sofort damit anfangen und nicht aufhören, bis die Ursachen beseitigt sind. Die Ursachen liegen am Ende immer in uns selbst. „Wir sind es selbst, die sich die Ängste, Sorgen und seelische Belastungen bereiten“, meinte Epikur. Sind diese einmal beseitigt, haben wir auch das Problem nicht mehr. Letztlich läuft es immer darauf hinaus – wie bereits erwähnt –, dass wir eine schlechte Gewohnheit im Denken, Wollen, Sprechen und Handeln ablegen und uns dafür eine gute angewöhnen. Das gelingt uns nur, wenn wir weises Verhalten so lange praktizieren und einüben, bis es uns in Fleisch und Blut übergegangen, ein Teil von uns selbst, eine innere Haltung geworden ist. Wenn wir keine Gewohnheit ändern, ändert sich nichts. Gewohnheiten zu ändern braucht jedoch innere Kraft und Beharrlichkeit. „Die Dauer ist die Art des Weisen“, heißt es im I Ging, dem ältesten Weisheitsbuch der Menschheit.
Überliefertes Weisheitswissen, wie es von den großen Philosophen und Menschenkennern der Antike in Griechenland, China und Indien gedacht, gelebt und niedergeschrieben wurde, hat nichts an Aktualität verloren. Es knüpft an der menschlichen Natur an, und diese hat sich in den letzten 100 000 Jahren nicht verändert. Deshalb sind die alten Weisheiten heute noch genauso gültig wie vor 2.500 Jahren. Ich jedenfalls habe in jahrelangem Studium keine besseren Ratschläge für ein gelingendes Leben gefunden als die Weisheiten der Alten. Was in der Antike in Orient und Okzident zu der Frage, wie wir glücklich leben können, gesagt wurde, ist an Tiefe, Klarheit und Breite in keiner späteren Epoche wieder erreicht worden. Alles, was wir für ein gutes Leben wissen müssen, ist seinerzeit erkannt worden. Vieles davon in Vergessenheit geraten. Das Wissen selbst aber ist nicht verloren gegangen. Wir können es in den klassischen Werken eines Platon, Seneca, Konfuzius oder in überlieferten Reden Buddhas nachlesen. Wir sollten uns mit diesen Weisheiten beschäftigen, sie auf unsere Zeit übertragen, mit unseren persönlichen Erfahrungen verschmelzen und durch eine entsprechende Lebens- und Denkweise uns zu eigen machen. Dann - daran habe ich keinen Zweifel - kann jeder von uns ein erfülltes, glückliches Leben führen.
Dr. Albert Kitzler, Jahrgang 1955, Philosoph und Jurist, gab seine erfolgreiche Karriere als Filmproduzent und Medienanwalt auf und gründete 2010 »Maß und Mitte – Schule für antike Lebensweisheit«. Er bietet Seminare, Matineen, Vorträge, philosophische Urlaube sowie Einzel- und Unternehmensberatungen an. Seine bisherigen Bücher zur praktischen Philosophie »Wie lebe ich ein gutes Leben?«, »Philosophie to go«, »Denken heilt!« und „Leben lernen – ein Leben lang“ wurden von den Lesern mit Begeisterung aufgenommen. Im Mai erscheint sein neues Buch „Vom Glück des Wanderns. Eine philosophische Wegbegleitung“. Albert Kitzler lebt in Berlin und bei München. Das Jahresprogramm seiner Veranstaltungen finden Sie hier.
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